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Einführung

Zweifelsfreie Gottesbeweise kann es gar nicht geben, weil jeder Gottesbeweis ja immer eine Interpretation vom Dasein ist, sozusagen philosophischer "Glaube" darstellt. Die Neuzeit ist dazu übergegangen, die Natur oder das Lebendige zu entzaubern. Wenn man sich aber dieses Wunder des Lebendigen bewußt wird, muss ja klar werden, dass jedes philosophische Reden immer ein Reden über eine Wirklichkeit ist, die mit Wunder und das dem Verstand Übersteigenenden umgeben ist.

Man muß das so sehen, daß in Antike und Mittelalter Denken, Philosophie und Theologie eine Einheit gebildet haben, und stets darf man die mitverwobene Mystik in den Philosophen nicht aus den Augen verlieren. Mystik und Philosophie, das scheint ein Gegensatz zu sein, aber wer schon mal z.B. den früheren Hegel kennt, der versteht die mitverwobene Mystik zu finden und zu würdigen.

So ist der folgende "Gottesbeweis" zu verstehen, dass man sich zuerst bewusst machen muss, dass ein Thomas von Aquin sich des Wunders des Lebens und von dessen Unbegreiflichkeit sehr wohl bewusst war. Allein Aristoteles, auf den sich Thomas bezieht, ist von vorne bis hinten mit Mystik durchtränkt.

Romano Guardini hörte nicht auf immer wieder zu betonen, dass Philosophen aus Antike und Mittelalter "Intellektuelle" und keineswegs "Rationalisten" waren. Sie haben versucht das Leben zu "deuten" und nicht zu "erklären": Die Alten haben nicht versucht, die Natur rationalistisch zu erforschen, sondern sie auf Gott hin zu deuten.

Der Kosmologische Beweis - frei nach Thomas von Aquin

Es nützt nichts den Aquinaten zu zitieren, ohne ihn gleichzeitig zu erklären. Besonders prägend ist hierbei der Begriff der "Bewegung", der in diesem Kontext eine besondere Bedeutung hat. Bewegung meint bei ihm nicht bloß eine Bewegung von Ort A nach Ort B, sondern vielmehr steht dieser Begriff oft im Zusammenhang mit der "Selbstbewegung" und mit "Eigeninitiative".

Die aristotelische und thomanische "Bewegungsseele"

Hier lässt sich Thomas von Aristoteles inspirieren. Wenn Pflanzen "wachsen" gibt es eine Bewegung von unten nach oben, wobei dieses Wachsen "Dynamik" und "Kraft" meint, die aus der Erde hervorsprießt. Es ist ein qualitativ Anderes als das "Unbelebte" wie die Steine. Und bewegen sich Menschen und Tieren durch die Lande, dies aber nicht deshalb, weil sie wie eine Billiardkugel durch eine andere angestoßen wurden, sondern hierbei entwickelt sich eine "Dynamik", die nicht im Pflanzlichen gegeben ist sondern darüber hinaus greift. Und bei der Freiheit entwickelt sich noch eine weitere Bewegungsart, die nicht nur durch Instinkte gegeben ist, sondern aus Freiheit entspringt, für das Höhere, das Gute und das Schöne zu handeln. Anders als die Tieren stirbt der Mensch auch für die Wahrheit, und der alleinige entscheidende "Bewegungsmotiv" der Handlungen ist nicht bloß die Angst. Letztere "kann" ein Motiv sein, aber es muss es nicht sein. Mit Bewegung ist also bei Thomas die Strebedynamik gemeint.

Die "Bewegungsseele"

Wenn also Aristoteles und Thomas die Begriffe "Bewegung" in den Mund nehmen, so ist damit oft auch die "Selbstbewegung", die Lebendigkeit der Natur oder darüber hinaus der Freiheit gemeint. Das Bewegte ist für sie das, was sie oft als "Bewegungsseele" bezeichnen, womit nicht die platonisch verstandene Seele gemeint ist. Sie nennen das Bewegungsseele deshalb, eben um anzudeuten, dass es eine Bewegung ist, die von innen her sich bewegt, eine Pflanze wächst selbst, sie wird nicht von außen "gestreckt".

Unzureichende Erklärungsversuche

Insofern man sich auf den Ursprung des Lebendigen bezieht, sind die meisten Erklärungen, die man vernimmt, solche die das Ganze auf den Zufall zurückführen wollen. Dies so zwar nicht immer der Fall aber sehr häufig. Evolution und Zufall dient als Paradebeispiel zum Gegenbeweis, aber das Aufzeigen einer geschichtlichen Tatsache erklärt ihr Grund nicht, was Evolution eigentlich bedeutet.

Die "pflanzliche Bewegungsseele"

Wenn man aber das ganze Universum auf den Zufall erklärt, dann wird der Mensch letztlich zu nichts weiter als einer komplizierten Maschine degradiert. Die Erfahrung aber belegt, dass die Wirklichkeit vieldimensionaler ist. Das Lebendige aber hat nicht nur auf bestimmte Imputs zu reagieren, wie ein Computer, sondern eine eigene "Dynamik", ein Streben. Da ist das Wachsen der Pflanzen, das Leben, das nach außen hin sprießt, so bezeichnete diese Art "Selbstbewegung" Aristoteles und Thomas von Aquin als "pflanzliche Bewegungsseele". Seele deshalb, weil selbstbewegt. Menschen wachsen auch, also hatten sie ihnen nach auch eine pflanzliche Bewegungsseele. Die Wachstumsbewegung ist nicht fremdbestimmt, wie etwa eine Hampelmannfigur, wo man an einer Schnur zieht, und schon bewegen sich Arme und Beine. Wachsen tut das Lebewesen in sich aber nicht aus sich. Man hat das, aber man hat es sich nicht selbst gegeben.

Die "Fortbewegungsseele"

Dann gibt es die Fortbewegungsdynamik, die in Tieren und Menschen vorhanden ist. In einem Tiger fällt die Magensäure in den Magen, ruft das Hungergefühl hervor, und dieser steuert von einem "Telos" (=Ziel) gesteuert auf das Reh zu. Zielkausalität, gibt es das? Wenn es sich nur um eine Kausalität der Art handeln würde, wie das mechanische Stoßen von Billiardkugeln, dann ist nicht geklärt, warum ein Tiger unbedingt auf die Jagd gehen muss. Das mechanische Kausalitätsprinzip erklärt nur, dass der Magen von der Magensäure angegriffen wird, aber nicht die Dynamik als solche. Und dann richtet sich der Mensch nach dem Wahren, Guten und Schönen; es gibt keinen Grund zu behaupten, dass der Mensch nur von Trieben geleitet wäre. Eine solcher Aspekt beinhaltet den Aspekt der Freiheit, wo nicht nur reines Naturdasein vorhanden ist. Ein solches Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen könnte wiederum als eine Art "Selbstbewegung" und Dynamik auf einer höheren Ebene betrachtet werden, wo es eben nicht Notwendigkeit und auch kein "Müssen" sondern nur ein "Sollen" gibt. In alledem ist gezeigt, dass Laplace-Mechanismen (d.h. Zufallsmechanismen wie die Lottokugeln) nicht das Höhere der "Selbstbewegung" hervorbringen können. Ein Zufalls- oder Laplacemechanismus wäre etwa, wenn der Blitz hier oder dort einschlägt und Schaden anrichtet, aber es ist nicht zielgerichtet wie bei den Tieren. 

Die Bewegung aus "Liebe"

Diese Erklärungsversuche sind an dieser Stelle noch nicht zum stärksten Argument gelangt, was erst der Fall ist, wenn man die "Liebe" als Selbstbewegung bedenkt. Die Liebe gehört zum Menschen, und der Mensch als sterbliches Wesen gehört zur Erde. Die Liebe ist nicht nur nicht logisch, sondern man fragt sich auch nach dem Woher der Liebe, wenn es vorher nur ein Big-Bang gegeben hat. Bei der Liebe gibt es keine Notwendigkeit, sie kann aus der Materie, sprich aus dem Niederen und Totem nicht stammen. Die Liebe kann auch nicht aus der bloßen Natur stammen, denn die Biologie hat zwar eine Selbstbewegung, sie aber folgt ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Wenn ein Löwe Hunger hat, dann nimmt er keine Rücksicht auf seine Opfer. Die Natur ist grausam, sie gibt nichts, und schon gar nicht umsonst. An dieser Stelle, da wo die Liebe getragen ist durch ein großes Fundament, die Ausrichtung auf das Gute, stellt sich heraus, dass diese Eigendynamik der Liebe, die auf einer höheren Weise gegeben ist als die Selbstbewegung der Biologie, stellt sich die Frage nach ihrer Ontik. Wie sie zustande kommt, kann ich natürlich nicht wissen, aber mir ist es gestattet zu sagen, es könnte sie nicht geben, wenn es Gott nicht gibt.

Die Bewegung, von der hier die Rede ist, das sind die Entscheidungen, die aus einem Höheren entspringen, wie wenn etwa ein Maximilian Kolbe im KZ nach vorne trat und dem Offizier sein Leben für das eines jüdischen Familienvaters anbot. Es ist die Bewegung die aus einem Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen entspringt, aus der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Sie steckt in jedem Akt der Vergebung. Das ist der Punkt, an dem Emmanuel Lévinas meinte, dass die alte Ontologie wieder zurückkehrt, wo ich vom Anspruch des Anderen getroffen bin, und mich nicht entziehen kann, eine Antwort auf seine Würde und dem Wert seines Lebens zu geben.

Philosophischer "Glaube", keine absolute "Sicherheit"

Hierbei muß man unterscheiden, daß Thomas, wenn er seine Gottesbeweise unternimmt, er niemals die Vielheitlichkeit des Seienden verflacht. Es geht also nicht um eine rationalistische Erklärung der Welt, sondern um den Versuch sie auf Gott hin zu "deuten". Romano Guardini formulierte das prägend so:  Intellektualisten waren alle Denker der Antike und des Mittelalters, keine Rationalisten. Sie haben nicht versucht, die Natur rationalistisch zu erklären, sondern sie auf Gott hin zu deuten. Von daher verstehen sich Gottesbeweise als Beredsamkeit aus einem philosophischen Glauben heraus. Jedes Verstehen und Reflektieren geht von einer Welt- und Daseinsdeutung heraus, von daher ist jedes Denken ursprünglich immer mit Glauben durchdrungen. Das gilt bereits bei allen Dingen des Alltags. Damit ist also das Modus Demonstrandi angesprochen. Gottesbeweise sind stets Glaube, und darum ist die Bezugnahme auf die Mystik so wichtig, damit niemand auf die Idee kommt, es ginge hier um einen billigen Versuch, eine Syllogistik (=Satzlogik) aufzubauen, um die Existenz Gottes zu beweisen. Syllogismen besagen nur gewisse Gesetzmäßigkeiten des Denkens, aber was mache ich, wenn die Natur in sich diese Gesetzmäßigkeiten zu übersteigen scheint, wie etwa das Problem der Einheit und Vielheit der Natur, wie immer wieder Hegel nicht aufhörte zu betonen.

Das ganze Leben als Geheimnis

Wenn man also philosophische Beweise anführt, dann darf dieses Faszinosum, das Geheimnis der Natur, des Lebendigen, der Freiheit, der Würde des Menschen, des Guten nicht fehlen. Sonst haben wir es nicht mit Gottesbeweisen sondern mit Spekulation zu tun, da man nicht mehr aus Glauben sondern aus vermeintlichem Wissen spricht.

Weltdeutung als Glaube - Zweifeln

Ich stelle bewusst die Frage, die scheinbar Kant am meisten bewegt hat, bewusst im Vordergrund: "Was sehe ich denn, wenn ich was sehe?" Deshalb, weil ich es nicht mit absoluter Gewissheit weiß, deshalb gibt es keine absolute Sicherheit. Es gibt immer nur der Glaube verschieden gepolt, atheistisch, theistisch, agnostisch. Immer kommt dort ein Gott oder ein Ersatz dafür zum Einsatz.